Einstempeln in der Garderobe

Gewerkschaft und St.Galler Spitäler haben sich geeinigt: Das Umkleiden gilt künftig als Arbeitszeit.

Katharina Brenner

Der Krach um die Umkleidezeit ist vorbei. «Arbeitsbeginn und Arbeitsende werden bei den betroffenen Mitarbeitenden am Kantonsspital St.Gallen künftig in den Garderoben erfasst», sagt Mediensprecher Philipp Lutz. Die Gewerkschaft für Angestellte im Service public (VPOD) fordert seit langem, Umkleiden als Arbeitszeit zu behandeln. In Zürich hatte die nationale Kampagne bereits Konsequenzen: Dort gewähren erste Spitäler und Kliniken ihren Angestellten bezahlte Umziehzeiten.

Im Kanton St.Gallen wird dies bald in sämtlichen öffentlichen Spitälern der Fall sein. Darauf haben sich diese Woche Delegationen der öffentlichen Spitäler, Vertreterinnen und Vertreter des VPOD sowie der Ostschweizer Sektion des Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) verständigt. Wie die neue Regelung genau umgesetzt wird, müsse je nach Spital noch vertieft geklärt werden, so Lutz. Sicher ist: Sie wird ab Juli 2020 gelten. Ab dann werden im Kantonsspital St.Gallen die Stempeluhren in der Garderobe stehen.

Gewerkschaft wird Umsetzung begleiten

Alexandra Akeret, Regionalsekretärin VPOD Ostschweiz, zeigt sich zufrieden mit der Einigung. Es sei sinnvoll, dass die Spitäler je nach Grösse eine individuelle Lösung finden. Für den VPOD ist das Thema damit aber nicht vom Tisch. «Wir werden den Umsetzungsprozess aufmerksam begleiten und evaluieren.»

Die grösste Berufsgruppe, die von der Forderung «Umkleiden ist Arbeitszeit» betroffen ist, sind die Pflegefachpersonen und Fachpersonen Gesundheit. In der Ostschweiz unterstützt die regionale SBK-Sektion ihre Anliegen. Geschäftsleiterin Edith Wohlfender sagt: «Wir sind froh, dass wir gemeinsam am runden Tisch eine Lösung finden konnten. Mit der Einigung sind wir zufrieden.» Offen bleibe allerdings, wie die Spitäler die Regelung kostenneutral umsetzen wollen. «Wir hoffen, dass dies nicht zu Lasten der Qualität in der Pflege geschieht.» Alexandra Akeret nennt die Verdichtung der Arbeitszeit den «Wermutstropfen» der Einigung.

Diese hatte ein langes Vorspiel. Der VPOD Ostschweiz hatte seine Forderung erstmals Anfang dieses Jahres gestellt. Er wolle die Ungerechtigkeit der unbezahlten Umkleidezeit aus der Welt schaffen, wenn nötig auf gerichtlichem Weg, teilte der Verband mit. Die Spitalseite reagierte zunächst irritiert, die bisherige Regelung sei branchenüblich, erste Treffen schob sie auf. Im Sommer zeichnete sich dann eine Lösung ab. Nach einem Treffen mit Verantwortlichen der Gewerkschaft sagte Spitalsprecher Lutz: «Die Spitäler anerkennen, dass angeordnetes Umkleiden als Arbeitszeit zu gelten hat.»

«Jährlich rund ein halber Monatslohn»

Auch die Politik beschäftigte das Thema. In einer Einfachen Anfrage rechnete SP-Kantonsrätin und VPOD-Vorstandsmitglied Monika Simmler am Beispiel des Kantonsspitals vor, dass Angestellten, die der Umkleidepflicht unterstehen, «jährlich rund ein halber Monatslohn» entgehe. Laut Staatssekretariat für Wirtschaft gilt im Zusammenhang mit Umkleiden all das als Arbeitszeit, was obligatorisch Teil des Arbeitsprozesses ist. Anziehen von persönlicher Schutzausrüstung für den Gesundheitsschutz und gegen ­Unfälle, Anziehen von Überzugskleidern oder steriler Arbeitskleidung wie auch das Durchschreiten einer Schleuse aus Gründen der Hygiene.

Die Regierung antwortete, dass der Forderung nach Anrechnung der Umkleidezeit die Kulanz der Spitalbereiche in anderen Bereichen gegenüberstehe, insbesondere bei Pausenregelungen. «Eine Anrechnung von Umkleidezeit als zusätzliche Arbeitszeit könnte die Spitäler aufgrund des hohen finanziellen Aufwands zwingen, eine rigide Zeiterfassung durchzusetzen und auch die Einhaltung der Pausen minutengenau zu kontrollieren.» Der VPOD fand die Antwort der Regierung «unverständlich und nicht nachvollziehbar».

Quelle: https://epaper.tagblatt.ch/#article/62/St.%20Galler%20Tagblatt/2019-12-14/27/253792255

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